Impfen bei Diabetes mellitus
Was gibt es zu beachten?
Auf einem Blick:
Hoher Blutzucker und Insulinresistenz können die körpereigene Immunantwort schwächen.1 Vor diesem Hintergrund rückt die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für Menschen mit Diabetes mellitus (DM) zunehmend in den Fokus. Die STIKO empfiehlt für Personen mit DM als Risikogruppe präventiv neben den Standardimpfungen auch zusätzliche Indikationsimpfungen.
Diabetes mellitus: erhöhte Infektanfälligkeit bei Betroffenen
Etwa 8,7 Mio. Menschen in Deutschland (Stand: 2023) zuzüglich einer hohen Dunkelziffer sind an Diabetes mellitus erkrankt, Tendenz steigend: Bis 2040 wird ein Anstieg auf bis zu 14 Mio. erwartet.3 Menschen mit DM leiden häufig unter Folgeerkrankungen und die Diagnose ist statistisch gesehen mit einem relativ hohen Verlust an Lebensjahren verbunden.4,5 Ursachen für die erhöhte Mortalität stellen neben Krebs- Gefäß- und Nieren- sowie weiteren Organerkrankungen auch Infektionen dar.5 Das erhöhte Infektionsrisiko durch ein geschwächtes Immunsystem beruht u. a. auf unzureichend kontrollierter Stoffwechsellage und Insulinresistenz. Etwa ab dem mittleren Lebensalter nimmt zudem generell die Leistungsfähigkeit des Immunsystems ab (Immunoseneszenz).1
Impfungen für Erwachsene mit Diabetes mellitus in der Übersicht
Die STIKO stuft Menschen mit DM als Risikogruppe ein und empfiehlt Erwachsenen neben den für alle empfohlenen Standardimpfungen auch folgende Indikationsimpfungen2:
- Pneumokokken: Impfung mit PCV20 von Personen ab 18 Jahren mit behandlungsbedürftigem DM2
- COVID-19: Grundimmunisierung und Auffrischung 1x jährlich im Herbst2
- Influenza: jährliche Impfung im Herbst mit einem inaktivierten Impfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination (ab 60 Jahren Hochdosis- oder MF-59-adjuvantierten Impfstoff verwenden)2,6
- Respiratorische Synzytial-Viren (RSV): ab 60 Jahren bei Personen mit DM und Komplikationen (Standardimpfung für alle ab 75 Jahren, STIKO-Empfehlung derzeit nur für proteinbasierte Impfstoffe)7
- Hepatitis B: bei Menschen mit DM und Nephropathie, v. a. bei Dialysepflicht2,8
- Herpes zoster: ab 50 Jahren 2-malige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes zoster-Totimpfstoff im Abstand von 2 – 6 Monaten2
Daten und Fakten zu Infektionskrankheiten: Menschen mit Diabetes mellitus unter Risiko
Eine Studie ergab, dass Menschen mit vorbestehendem Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion häufiger unter schweren Krankheitsverläufen litten. Zudem zeigte sich, dass Personen mit COVID-19 und schlecht eingestelltem Blutzucker (obere Grenze der glykämischen Variabilität > 10,0 mmol/L) während des Krankenhausaufenthaltes eine erhöhte Sterblichkeitsrate in Relation zu Personen mit guter glykämischer Kontrolle (glykämische Variabilität von 3,9 – 10,0 mmol/L) aufwiesen.9 Auch bei einer RSV-Infektion tragen Patienten mit DM ein erhöhtes Hospitalisierungsrisiko im Vergleich zu Personen ohne Grunderkrankung.10 Des Weiteren belegen Studiendaten, dass Menschen mit DM einen ungünstigeren Verlauf von Pneumokokken-Erkrankungen aufweisen als Stoffwechselgesunde. Es wurden in dieser Patientengruppe erhöhte Raten an invasiven Pneumokokken-Infektionen, Pneumonien, Intensivaufnahmen und Fallsterblichkeit verzeichnet.11
Diabetes mellitus kommt selten allein: Herpes zoster im Fokus
Im Rahmen von Herpes zoster (HZ) können schwerwiegende Komplikationen wie die Post-Zoster Neuralgie (bei 5 – 30 %) oder ein Zoster ophthalmicus (bei 10 – 25 %) auftreten.12-14 Dabei steigt die HZ-Inzidenz sowohl mit zunehmendem Alter15 als auch dem Vorhandensein von Grunderkrankungen an.15,16 So erkranken Personen mit T2DM fast doppelt so häufig an HZ wie gesunde Gleichaltrige.17 Zudem wiesen Studiendaten zufolge Personen mit DM höhere Hospitalisierungsraten und eine längere Hospitalisierungsdauer aufgrund von HZ auf.18 Eine Impfung kann das Risiko mindern: Die Wirksamkeit der RZV-Impfung bei Personen mit Vorerkrankungen wurde auch bei älteren Menschen mit DM belegt.19
Referenzen
1. Witzke. Diabetes aktuell 2023; 21(08): 353-60.
3. https://diabsurv.rki.de/SharedDocs/downloads/DE/DiabSurv/diabetesbericht2019.html (Einsicht: 01.11.2024).
4. Emerging Risk Factors Collaboration. Lancet Diabetes Endocrinol 2023;11(10):731-42.
5. Emerging Risk Factors Collaboration. N Engl J Med 2011;364(9):829-41.
8. Zepp. Diabetologe 2020; 16:478–88.
9. Zhu L et al., Cell Metab 2020;31(6):1068-77.
10. Ambrosch et al. J Clin Vir. 2023;161:105399.
11. Silverii et al. Acta Diabetologica 2024;61:1029-39.
12. Dworkin et al. J Pain 2008.(1 Suppl 1):S37-44.
13. Harpaz et al. MMWR Recomm Rep 2008;57(RR-5):1-30.
14. Kawai et al. BMJ Open 2014;4(6):e004833.
16. Steinmann et al. Infection 2024;52(3):1009-26.
17. Poirrier et al. Diabetes Care 2022;45(11):2585-93.
18. Giorda et al. Diabetes Res Clin Pract 2024:210:111603.
19. Oostvogels et al. Hum Vaccin Immunother 2019;15(12):2865-72.