MFA-Akademie 2024: Refresher zum Herbst

Der MFA-Akademie Refresher 2024 fasst die wichtigsten Impfungen für den Herbst kompakt zusammen.

16. Oktober 2024
Lesedauer: 5 Min.
Grafik von kleinen Akademiker-Männchen

Alles Neue und Wichtige rund ums Impfen

Das Jahr 2024 hat neben der Neuberufung der STIKO auch bereits einige neue Impfempfehlungen bereitgehalten. Darüber hinaus nähert sich mit der kalten und nassen Zeit auch die Hochsaison vieler Atemwegserreger – das Thema Impfen ist daher umso wichtiger. Erfahren Sie in dem Handout zum MFA-Akademie Refresher 2024 alles über Impfungen, die aktuell empfohlen und wichtig sind. Dabei sind diese Neuigkeiten von besonderer Relevanz:

1. Influenza: Rückkehr zu trivalenten Impfstoffen, Standardimpfempfehlung für Personen ab 60 Jahren - vor der Saison impfen

2. RSV: Neue Standardimpfempfehlung für Personen ab 75 Jahren – vor der Saison impfen

3. COVID-19: Jährliche Auffrischimpfung für Personen ab 60 Jahren – vor der Saison impfen

4. Pertussis: Steigende Fallzahlen in Europa und Deutschland – jetzt Impfschutz überprüfen

  • Vortrag 1: STIKO-Update: Neuigkeiten aus diesem Sommer

    Bereits mit dem Epidemiologischen Bulletin 4 wurden Ende Januar einige Neuerungen in die allgemeinen Impfempfehlungen der STIKO für 2024 neu aufgenommen.
     

    Die größte Änderung ist die Aufnahme der Impfung gegen Meningokokken B für Säuglinge ab einmal Alter von 2 Monaten in den Standardimpfkalender der STIKO. Demnach sollten alle Säuglinge frühestmöglich, also mit einem Alter von 2 Monaten, gegen Meningokokken B geimpft werden. Das Impfschema besteht aus 3 Impfstoffdosen, die im Alter von 2, 4 und 12 Monaten verabreicht werden sollten. Die zusätzlichen Impfungen können gut in die bereits bestehenden U-Untersuchungen integriert und mit den anderen von der STIKO-Empfohlenen Impfungen koadministriert werden, um die Anzahl an Impfterminen möglichst gering zu halten.
     

    Kleinere Anpassungen gab es auch bei der Impfung gegen COVID-19 (Zusammenfassung Vortrag 2).
     

    Ebenso ist die bereits im Jahr 2023 in Kraft getretene Pneumokokken-Empfehlung für Personen ab 18 Jahren in die allgemeinen Impfempfehlungen aufgenommen worden. Demnach sollten Personen ab 18 Jahren, die im Zuge einer Standard- oder Indikationsimpfung gegen Pneumokokken geimpft werden, einmalig mit dem Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff PCV20 geimpft werden. Der 23-valente Polysaccharid-Impfstoff PPSV23 wird von der STIKO nicht mehr empfohlen. Die Standardimpfempfehlung für die Pneumokokken-Impfung inkludiert Personen ab 60 Jahren. Sollten diese bereits mit PPSV23 geimpft worden sein, so sollte mit 6 Jahren Abstand noch einmal mit PCV20 geimpft werden. Weitere Auffrischungen werden aktuell nicht empfohlen. Trotz Zulassungserweiterung des Impfstoffes im März 2024 auf Kinder und Jugendliche, ist der PCV20 auch weiterhin in dieser Altersgruppe nicht von der STIKO empfohlen. Dazu gab es einen offiziellen Beschluss der neuberufenen STIKO im August 2024. 

     

    Ein besonders präsentes Thema bei der STIKO war in diesem Jahr das Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV). Hier hat die STIKO gleich zwei Empfehlungen in diesem Jahr ausgesprochen: Zum einem empfiehlt die STIKO seit Juni 2024 Säuglingen und Neugeborenen vor bzw. während ihrer 1. RSV-Saison die passive Immunisierung gegen RSV mit Nirsevimab. Säuglinge, die zwischen April und September geboren sind, sollen Nirsevimab als Einmaldosis möglichst im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erhalten. Neugeborene hingegen, die während der RSV-Saison geboren werden, sollen Nirsevimab möglichst rasch nach der Geburt, zwischen dem 3. und 10. Lebenstag erhalten.

    Seit August 2024 empfiehlt die STIKO zudem Personen ab 75 Jahren eine einmalige Impfung gegen RSV als Standardimpfung. Zudem empfiehlt sie allen Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren mit einer schweren Grunderkrankung oder die in einer Einrichtung der Pflege leben und somit ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren RSV-Krankheitsverlauf haben ebenfalls eine RSV-Impfung als Indikationsimpfung (Weitere Details in Zusammenfassung Vortrag 2). 

     

    Neben den Neuerungen der STIKO ist auch aus infektiologischer Sicht aktuell einiges los. In ganz Europa und auch in Deutschland wurden in den vergangenen Monaten überdurchschnittlich viele Pertussis-Infektionen gemeldet. Bei Pertussis (Keuchhusten) handelt es sich um eine bakterielle Atemwegserkrankung, welche häufig übersehen wird – insbesondere bei Erwachsenen. Neben der Grundimmunisierung und Auffrischimpfungen im Säuglings- und Kindesalter daher besonders wichtig – die Indikationsimpfungen. Zum Schutz der Neugeborenen sollten Schwangere in jeder Schwangerschaft gegen Pertussis geimpft werden. Darüber hinaus haben alle Personen mit Kontakt zu Neugeborenen (Eltern, Geschwister, Freunde, Bekannte, etc.) alle 10 Jahre eine Indikation zur Pertussis-Impfung.

  • Vortrag 2: Fit für den Herbst: Die wichtigsten Impfungen für Ihre Patient*innen

    Besonders in der kalten Jahreszeit sind wir anfälliger für akute Atemwegserkrankungen. Doch nicht allen Atemwegserregern sind wir schutzlos ausgeliefert. Gegen einige stehen von der STIKO empfohlene Impfungen zur Verfügung. Diese sind für Neugeborene und Menschen in einem höheren Lebensalter (> 60 Jahren) oder mit Grunderkrankungen besonders wichtig. Diese Personengruppen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe und sollten daher schon vor Beginn der Atemwegssaison über einen umfassenden Impfschutz verfügen.

     

    RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) ist ein viraler Atemwegserreger, welcher zunächst die oberen Atemwege infiziert, sich aber auch zu einer Bronchiolitis oder Pneumonie entwickeln kann. Es gibt keine antivirale Therapie, allerdings sind seit neustem in Deutschland drei RSV-Impfstoffe zugelassen. Die STIKO empfiehlt die aktive Immunisierung für Erwachsene mit den proteinbasierten RSV-Impfstoffen. Empfohlen ist die einmalige Impfung möglichst vor der nächsten RSV-Saison im Herbst/Winter. Standardmäßig gegen RSV geimpft werden sollten alle Personen über 75 Jahren. Darüber hinaus haben alle Personen ab 60 Jahren mit einer schweren Grunderkrankung oder die in einer Einrichtung der Pflege leben eine Indikation zur Impfung. Die RSV-Impfung kann gleichzeitig mit der saisonalen Influenza-Impfung verabreicht werden.

     

    Saisonale Influenza (die „echte Grippe“) ist eine virale Atemwegserkrankung ausgelöst durch Influenza Typ A und B. Die bisher eingesetzten Influenza-Impfstoffe beinhalten Varianten der vier häufigsten Subtypen. Dies wird sich in Zukunft ändern, da die WHO einen Wechsel von quadrivalenten zu trivalenten Influenza-Impfstoffen ohne B/Yamagata-Linie empfiehlt. Der Grund: Influenza B-Viren der Yamagata-Linie wurden seit März 2020 nicht mehr nachgewiesen. Die angepassten Injektionsimpfstoffe sollen ab 2025/2026 eingesetzt werden, der Lebendimpfstoff (LAIV) bereits ab dieser Saison 2024/2025.

     

    SARS-CoV-2 ist ein seit 2020 weltweit auftretendes neues Coronavirus und Auslöser von COVID-19. Personen ab dem 18. Lebensjahr sollten laut STIKO-Empfehlung über eine Basisimmunität gegen SARS-CoV-2 verfügen. Die Basisimmunität besteht aus drei SARS-CoV-2-Antigenkontakten, von denen mindestens ein Kontakt durch eine Impfung erfolgen muss. Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf sollten zusätzlich zur Basisimmunität jährlich zum Herbst hin eine Impfung mit einem mRNA- oder proteinbasierten Impfstoff entsprechend der Zulassung mit einer aktuell von der WHO empfohlenen Variantenanpassung erhalten. Um die Vielzahl an Impfungen im Herbst zu meistern sind die folgenden zwei Aspekte wichtig zu beachten: Nicht alle Impfungen finden jährlich statt! Die Anzahl der Arztbesuche lässt sich über Koadministration reduzieren!

  • Vortrag 3: Aufgeschlaut: Häufige & Knifflige Impf-Fragen kompakt erklärt

    Das Thema Impfen ist komplex und jeder Patient muss individuell betrachtet werden, daher kommen immer wieder Fragen zu einzelnen Impfungen und Impfabständen auf. Einige häufige und knifflige Impffragen haben wir Ihnen wir kurz und prägnant zusammengefasst:

     

    1. Eine häufige Frage ist, ob es möglich und sinnvoll ist, Patienten unter 60 Jahren, die ein erhöhtes Risiko für einen Herpes zoster (z.B. durch eine Typ-2 Diabetes mit Begleiterkrankungen) haben, auch gegen Herpes zoster zu impfen. Es gibt für Risikogruppen eine Empfehlung der STIKO ab dem 50. Lebensjahr für die Impfung gegen Herpes zoster, dieses schließt auch einen Typ-2 Diabetes mit ein. Grundsätzlich ist die Impfung gegen Herpes zoster ab einem Alter von 18 Jahren möglich. Da die Indikationsimpfempfehlung der STIKO aber erst ab einem Alter von 50 Jahren gilt, ist bei jüngeren Patienten die Kostenerstattung nicht automatisch geregelt.
    2. Eine weitere Frage, welche sich unmittelbar an das Thema Herpes zoster anschließt, ist, ob ein Patient, welcher älter als 60 Jahre ist und aktuell eine akute Herpes-zoster-Episode durchmacht, danach noch eine Impfung gegen Herpes zoster erhalten sollte. Dies ist zu bejahen, da es auch nach einem Herpes zoster ein Rezidiv auftreten kann, da die Infektion an sich keine natürliche Immunität gewährleistet. Die Impfung gegen Herpes zoster sollte nach Abklingen der Effloreszenzen mit zwei Dosen im Abstand von 2-6 Monaten durchgeführt werden. In der Regel sollten 3-12 Monate nach einem Herpes zoster abgewartet werden, damit die Erkrankung vollständig abgeheilt ist. 
    3. Häufig wird auch die Frage zu Auffrischimpfung gegen Polio gestellt und wann diese erfolgen sollte. Alle Personen sollten über ein Basisimmunität gegen Polio verfügen. Diese besteht aus drei Impfungen im Säuglingsalter plus einer Auffrischimpfung im jugendlichen Alter (11-16 Jahre). Sollte diese Auffrischimpfung fehlen, so ist diese zu vervollständigen. Bei Reisen (siehe auswärtiges Amt) in Gebieten mit Polio-Risko sollte eine weitere Polio-Impfung durchgeführt werden, wenn die letzte Polio Impfung länger als 10 Jahre zurück liegt. Bei Reisen in Gebieten mit hohem Polio-Risiko und Aufenthaltsdauern von mehr als 4 Wochen sollte die letzte Polio Impfung nicht länger als 1 Jahr zurückliegen.
    4. Eine Infektion von Neugeborenen/ Säuglingen mit Pertussis stellt für diese Gruppe ein hohes Risiko dar, an der Infektion zu versterben. Deshalb sollten bei bevorstehender Geburt sämtliche Kontaktpersonen (Eltern und Geschwister) über einen Schutz gegen Pertussis verfügen. Das bedeutet, dass die letzte Pertussis Impfung nicht länger als 10 Jahre zurück liegen sollte. Dies gilt auch für die Großeltern, wenn Kontakt zu den Enkeln besteht. 
    5. Bei einer Reise ins Ausland (südlich der Alpen und östlich der Oder) sollte auch an eine mögliche Impfung gegen Hepatitis A und B gedacht werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Personen, welche bereits gegen Hepatitis B, z.B. im Kindesalter geimpft worden sind, dann eine Hepatitis-B-Monoimpfung zur Auffrischimpfung und eine Hepatitis-A-Monoimpfung zu Grundimmunisierung (plus eine weitere Dosis Hepatitis A nach 6 Monaten) erhalten sollten. Der Kombinationsimpfstoff Hepatitis A/B sollte bei Patienten angewendet werden, welche weder über eine Hepatitis A noch B Schutz verfügen. Hier sind dann auch drei Dosen des Kombinationsimpfstoffe zur Grundimmunisierung vor der Abreise für einen Schutz gegen Hepatitis A und B notwendig. 

 

Referenzen

1. Epid Bull 2024;4:1- 72 | DOI 10.25646/11892

2. Epid Bull 2024;14:1–206 | DOI: 10.25646/12006

3. Epid Bull 2024;31:12-14 | DOI 10.25646/12471

4. Epid Bull 2024;32:3-28 | DOI 10.25646/12470

5. Fachinformation Herpes zoster-Totimpfstoff, Stand Oktober 2023

6. Batram et al., 2021, Burden of Herpes Zoster in Adult Patients with Underlying Conditions: Analysis of German Claims Data, 2007–2018 Dermatol Ther (Heidelb)

7. Auswertiges Amt: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/reise-gesundheit/-/2517492 ; ECDC: Increase of pertussis cases in the EU/EEA (europa.eu)

Erwachsene
Grundlagen Impfung
Grundlagen Erreger