MFA-Akademie - Modul 2

Jetzt wird´s speziell: Hilfreiches Impfwissen

15. Mai 2024
Lesedauer: 7 Min.
illustrierte Grafik von drei Studien-Absolventinnen

Jetzt wird´s speziell: Hilfreiches Impfwissen

Nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie getrieben, sind Impfmüdigkeit und Impfskepsis in der Bevölkerung vermehrt zu beobachten. Ein Problem sind dabei u.a. hartnäckige Impfmythen, die das ein oder andere Patientengespräch erschweren können. Lesen Sie weiter, um wichtige Informationen & Quellen für Ihre Patientengespräche mit an die Hand zu bekommen. Erfahren Sie zudem, welche externen & internen Faktoren den Impferfolg beeinflussen und was für unerwartet positive Effekte Impfungen zusätzlich haben können. Neben COVID-19 gibt es auch weitere virale Atemwegserreger, die es im letzten Jahr aus verschiedenen Gründen in die Schlagzeilen geschafft haben. Eines dieser Viren ist das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) – die wichtigsten Fakten finden Sie hier kurz und kompakt zusammengefasst, um die Fragen Ihrer Patient*innen kompetent beantworten zu können.

  • Vortrag 1: Hot Topic: RSV & Co. – Neues aus der Welt der Atemwegserreger

    Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) gehört neben der Influenza und SARS-CoV-2 zu den bedeutendsten Erregern von Atemwegsinfektionen in Deutschland. Insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Erwachsenen werden immer wieder schwere Krankheitsverläufe beobachtet.

    Erreger Respiratorische Synzytial-Virus (RSV)
    Merkmale Einzelstrang RNA-Virus, lebenslange Reinfektionen
    Übertragung Tröpfchen- und Schmierinfektion
    Inkubationszeit 2-8 Tage (durchschnittlich 5 Tage)
    Krankheitsbild

    Einfache Atemwegsinfektion, bis zu einer schweren

    beatmungspflichtigen Erkrankung der unteren Atemwege

    Prävention 2 Impfstoffe verfügbar, Meldepflicht seit Juli 2023
    Erreger Respiratorische Synzytial-Virus (RSV)
    Merkmale Einzelstrang RNA-Virus, lebenslange Reinfektionen
    Übertragung Tröpfchen- und Schmierinfektion
    Inkubationszeit 2-8 Tage (durchschnittlich 5 Tage)
    Krankheitsbild

    Einfache Atemwegsinfektion, bis zu einer schweren

    beatmungspflichtigen Erkrankung der unteren Atemwege

    Prävention 2 Impfstoffe verfügbar, Meldepflicht seit Juli 2023

    RSV – eine Gefahr für alle Altersgruppen

    Die Erkrankung kann auf die oberen Atemwege beschränkt sein, sich aber auch zu einer Bronchiolitis, Pneumonie oder Tracheobronchitis entwickeln. Im Krankheitsverlauf werden in der Regel zuerst Symptome einer Erkrankung der oberen Atemwege wie Schnupfen, nicht-produktiver Husten und eine Pharyngitis beobachtet. Innerhalb von 1–3 Tagen können die Symptome zu einer Erkrankung der unteren Atemwege fortschreiten und insbesondere für Säuglinge in den ersten Lebensmonaten lebensbedrohlich werden. Aber auch ältere Erwachsene sind regelmäßig betroffen - aufgrund der selten durchgeführten Labordiagnostik wird in dieser Altersgruppe die Krankheitslast allerdings häufig unterschätzt. Zu den Risikofaktoren bei Erwachsenen gehören neben einem höheren Lebensalter von ≥ 60 Jahren, auch Komorbiditäten wie z. B. chronische Herz- oder Lungenerkrankungen und ein schwacher Immunstatus aufgrund von Erkrankungen oder Therapiemaßnahmen.

    Häufige Komorbiditäten & Risikofaktoren einer RSV-Erkrankung bei älteren Erwachsenen sind: 

    Immunsuppression oder Immundefizienz, Diabetes, COPD, Asthma, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Kardiovaskuläre Erkrankungen, Chronisches Nierenversagen, Neurologische Erkrankungen

    Neue Möglichkeiten der Prävention

    Eine antivirale Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung – lediglich eine Behandlung der Symptome ist möglich.

    Erfreulicherweise sind seit letztem Sommer 2023 erstmals in Deutschland zwei RSV-Impfstoffe zugelassen, ein weiterer befindet sich in der Entwicklung. Die zugelassen Impfstoffe zeigen ein gutes Sicherheitsprofil, sind wirksam und eignen sich zum Schutz der Risikogruppen: So ist eine aktive Immunisierung von Personen ab 60 Jahren möglich. Ebenso ein passiver Schutz für Früh- und Neugeborene durch die Impfung der Mutter in der Schwangerschaft. Da die Impfstoffe erst seit kurzem zugelassen sind, gibt es für die RSV-Impfung noch keine STIKO-Impfempfehlung. Die STIKO berät sich aktuell zu diesem Thema und wird sich voraussichtlich im Sommer 2024 zu den unterschiedlichen RSV-Präventionsmaßnahmen  (aktive und passive Immunisierung) äußern.

  • Vortrag 2: Immunsystem trifft Psyche: Was Impfungen noch so können

    Der Erfolg einer Impfung ist in erster Linie abhängig vom Impfstoff und der Funktionsfähigkeit des Immunsystems. Um eine bestmögliche Impfstoffwirksamkeit auch bei immunologisch unterschiedlichen Personen zu erzielen, werden Immunverstärker (Adjuvantien) eingesetzt. Würde man ein solches Adjuvans weglassen, müsste für einen vergleichbaren Impfschutz eine vielhundertfache Impfstoffmenge eingesetzt werden. Adjuvantien sind daher in einigen Impfstoffen immunologisch unverzichtbar.

     

    Mittlerweile zeigt sich, dass auch unsere Lebensweise und unsere mentale Gesundheit einen Einfluss auf das Immunsystem haben und damit den Erfolg von Impfungen beeinflussen können. Diese Effekte werden unter dem Begriff Psychoneuroimmunologie zusammengefasst und zeigen teilweise erstaunliche Wirkung.

     

    Vorerkrankungen: Bei Patienten mit bereits vorliegenden Erkrankungen ist das Risiko von weiteren Zweiterkrankungen oft erhöht. Mittlerweile bekannt ist, dass auch bei einigen psychische Erkrankungen dies der Fall sein kann. So wird bei Patienten mit psychischen Erkrankungen beobachtet, dass sie deutlich häufiger durch Infektionen erkranken. Es zeigt sich beispielsweise eine erhöhte Rate von Pertussis-Infektionen (Keuchhusten) und ebenso auch häufigere Herpes zoster-Episoden (Gürtelrose). Die Ursache dieser Anfälligkeit für Infektionen scheint in der Wechselwirkung der Psyche über verschiedene Wege mit dem Immunsystem zu liegen. Diese kann nach einer Impfung offenbar auch zu niedrigeren Antikörperspiegeln als bei gesunden Patienten führen. 

     

    Schlaf: Ein weiterer bislang wenig beachteter Effekt betrifft die Ruhephase nach einer Impfung. Auch der Schlaf kann den Impferfolg beeinflussen: Bei reduzierten Schlafzeiten kann die Immunantwort nach einer Impfung gestört sein. Dadurch ist die Menge der spezifischen Immunglobulinen (Antikörper) geringer als bei Personen, die ausreichend geschlafen haben.

     

    Ernährung: Auch unsere Ernährung zeigt einen Effekt auf das Immunsystem und die Immunantwort nach Impfung. Unterschiedliche Lebensmittel setzen im Darm spezielle chemische Botenstoffe frei, die als Immunmediatoren unter anderem auch Entzündungsreaktionen im Körper beeinflussen. Die Menge dieser Botenstoffe ist messbar. Der Einfluss der Ernährung auf unser  Immunsystem und einen Impferfolg scheint aber nur gering zu sein.

  • Vortrag 3: Fakten auf den Tisch: Wir klären die hartnäckigsten Impfmythen auf

    (1) Die richtige Quelle: Faktensandwiches des Robert-Koch-Instituts (RKI)

    A

    Lassen sich hervorragend ausdrucken und Patient*innen als Aufklärungsmaterial mitgeben.

    →u.a. zu den Themen:

    - Wirksamkeit von Impfungen

    - Impfungen & Autismus

    - Impfungen & Allergien

    - Impfungen und Kinderwunsch,

     

    (2) Die richtigen Schlüsse ziehen: Erkennung von Urteilsfehlern (Bias)

    Bias = unbewusste, verzerrte und befangene Sichtweise oder Grundhaltung

    • Optimism Bias: Fehleinschätzung, von negativen Ereignissen weniger wahrscheinlich betroffen zu sein als andere
      →Pat. erachten Impfungen als weniger wichtig. 
    • Omission Bias: Tendenz, Handlungen, die mit einem Risiko behaftet sein könnten, eher zu unterlassen
      →Pat. fragen seltener von sich aus nach Impfungen.
    • Confirmation Bias: Bevorzugte Suche nach Informationen, die den eigenen Standpunkt bestärken
      →Pat. befragen eher Quellen mit impfkritischer Haltung, wenn sie selbst Sorge vor einer Impfung haben.
    • Negativity Bias: Negative Eindrücke und Gefühle werden besser erinnert als positive, auch bei gleicher Intensität
      →Pat. fokussieren eher auf Nebenwirkungen als Wirkungen von Impfungen.

    1. Beispiel (Optimism & Omission Bias):

     

    „Mein Kind ist kerngesund und diese Krankheit ist so selten, ich würde es daher lieber nicht dagegen impfen lassen.“

     

    →Lösung: Aktiv auf Impfungen ansprechen und:

     

    „Bei den meisten Erregern, vor denen eine Impfung schützen kann, ist es egal, wie gesund Ihr Kind ist – es kann sich dennoch anstecken. Diese Erkrankungen sind vor allem deswegen so selten, weil so viele Kinder dagegen geimpft sind.“

     

    2. Beispiel (Confirmation & Negativity Bias): 

     

    „Der Arzt empfiehlt die Impfung zwar, aber meine Freundin hat mir davon abgeraten. Sie hatte furchtbare Nebenwirkungen!“

     

    →Lösung:

     

    „Was lässt Sie vermuten, dass Ihre Freundin in diesem Fall eine bessere 

    Informationsquelle ist als Ihr Arzt? Leider erinnern wir Menschen negative Dinge leichter als positive und man kann nie wissen, welche Erkrankungen einem aufgrund einer Impfung erspart geblieben sind – oder wann haben Sie sich zuletzt so richtig darüber gefreut, dass Sie eine Erkrankung NICHT hatten?“

    Checkliste „Impfmythen sicher begegnen“:

    • Faktensandwiches ausgedruckt & liegen bereit (Pat.-Material)
    • Ich frage Pat. immer aktiv nach Impfungen
    • Ich kenne die aktuellen STIKO-Empfehlungen - wenn nicht: 
      • Fortbildung zur Impfassistentin/Refresher

     

 

Referenzen

1. http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie (Abruf: 08-MAI-2024)
2. Robert Koch-Institut (RKI): Impfmythen: Falschinformationen wirksam aufklären (Abruf: 06-MAI-2024)
3. Robert Koch-Institut (RKI): Gesprächskarten: Wie spreche ich über das Thema Impfen? (Abruf: 08-MAI-2024)

 

Grundlagen Impfung