Warum impfen Deutsche weniger?

Die Impfziele werden seit Jahren verfehlt - braucht es mehr Aufklärung? Im Europäischen Vergleich hinkt Deutschland hinterher. Zudem wird die globale Influenza-Mortalität unterschätzt. Bleiben Sie informiert und erfahren Sie alles zu den aktuellen Zahlen und Empfehlungen. 

18. November 2024
Lesedauer: 4 Min.
Älterer Mann wird in den Arm geimpft

Die von der EU und Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Impfquote von 75 % für Influenza bei älteren Menschen (65+) wurde in Deutschland in den letzten Jahren nicht annähernd erreicht.1 Die Bedeutung der Impfungen, insbesondere für vulnerablen Gruppen, wird durch Schätzungen zur Influenza-Mortalität unterstrichen.

  • Die Entwicklung der Impfquoten in Deutschland ist heterogen

    Nach einem Anstieg der bundesweiten Impfquote von 2018/19 bis 2020/21 auf 47 % ging die Impfquote bei Personen über 60 Jahren in der Saison 2021/22 zurück und lag nur noch bei 43 %. Dabei besteht ein klares Ost/West-Gefälle auf Ebene der Bundesländer. Die Spannweite der Impfungen bei über-60-jährigen in den Kassenärztlichen Vereinigung (KV)-Regionen der westlichen Bundesländer lag bei 27–53 %; in den östlichen Bundesländern hingegen bei 51– 61 %.1

 

Wie steht Deutschland im Ländervergleich dar?

Das Statistische Bundesamt hat für das Jahr 2022 Daten von 10 EU-Staaten veröffentlicht, die die Impfquoten der über 65–Jährigen analysierten. Dabei erreichten nur Dänemark und Irland mit 78 bzw. 75,8 % das angestrebte Ziel. Schweden und Spanien belegten mit jeweils knapp 70 % die Plätze 3 und 4, während Deutschland mit 43,3 % auf dem 6. Platz landete.2

Im Ländervergleich besteht eine große Spannweite der Impfquoten von 21.5 % (Litauen) bis hin zu 78 % (Dänemark).2 Die Entwicklung der Impfbereitschaft bei den Senioren war generell heterogen. Schweden verbesserte sich dabei um 10 Prozentpunkte, während Italien und Deutschland rückläufige Quoten im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten.2

 

Die Mortalität durch Influenza wird global unterschätzt

Eine Studie des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) aus dem Jahr 2018 zeigte, dass die geschätzten Exzessmortalitätsraten aufgrund von Influenza höher sind als bisher angenommen. Die weltweite Anzahl der influenzaassoziierten Atemwegstode lag mit ca. 290.000–646.000 höher als die bisherigen Schätzungen der WHO (250–500.000).3 Auch wenn diese Schätzungen jährlichen Schwankungen unterliegen, zeigt sich doch die Notwendigkeit der saisonalen Impfungen – vor allem bei vulnerablen Populationen.

 

Medizinisches Personal hat Zweifel an Impfnotwendigkeit

Die STIKO empfiehlt auch für Personen mit erhöhter Gefährdung (z.B. medizinisches Personal, siehe Aufklapper) eine Impfung gegen Influenza. Die Ergebnisse der aktuellen Onlinebefragung von Krankenhaus-Personal zur Influenza-Impfung (OKaPII) zeigen jedoch, dass nur 58 % der Befragten in der Saison 2023/24 geimpft waren.4 Interessanterweise gaben 92 % der Befragten an, dass eine Influenza-Impfung direkt in der Klinik angeboten wurde.4

Auch variiert die Impfbereitschaft stark zwischen den Berufsgruppen: 81 % der Ärzteschaft ließ sich impfen, während die Quote beim Therapeutischen- und Pflegepersonal bei 51 % lag.4

Hauptgründe für eine Impfung waren laut eigener Angaben in erster Linie der Selbstschutz. Bei den Ungeimpften herrschte dagegen ein Mangel an empfundener Notwendigkeit sowie Bedenken hinsichtlich der Impfstoffsicherheit.4

 

Essenzielle Aufklärung: die wichtigsten Fakten zur Influenza-Impfung

Deutschland verfolgt die Strategie, nicht die gesamte Bevölkerung, sondern nur Risikogruppen, also Personen mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Krankheitsverläufe, gegen Influenza zu impfen. 

  • Wer ist gefährdet und sollte sich gegen Influenza impfen lassen?

    Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Influenza Impfung für:1

    • Alle Personen ab 60 Jahren
    • Alle Schwangeren ab dem 2. Trimenon, bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens ab 1. Trimenon
    • Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens (z.B. chronische Organleiden, Diabetes oder andere Stoffwechselkrankheiten, chronische neurologische Grundkrankheiten wie z.B. Multiple Sklerose mit durch Infektionen getriggerten Schüben, angeborene oder erworbene Immundefizienz oder HIV)
    • Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen
    • Personen, die als mögliche Infektionsquelle im selben Haushalt Lebende oder von ihnen betreute Risikopersonen (siehe oben) gefährden können

    Außerdem empfiehlt die STIKO eine beruflich bedingte Influenza Impfung für:

    • Personen mit erhöhter Gefährdung (z.B. medizinisches Personal),
    • Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr,
    • Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können

 

Ein Anstieg der Fallzahlen ist üblicherweise ab Ende September zu beobachten. Daher empfiehlt die STIKO eine Impfung zu Beginn der Influenzasaison von Oktober bis Mitte Dezember, um einen vollständigen Impfschutz bis zum Höhepunkt der jeweiligen Influenzawelle zu gewährleisten.1

Aufgrund der saisonalen Überschneidung mit RSV-Infektionen und der kürzlich veröffentlichten STIKO-Empfehlung für RSV-Impfungen, sollte eine Koadministration, vor allem bei Personen ≥ 75 Jahre und Personen von 60–74 Jahre mit schweren chronischen Grunderkrankungen und/oder Bewohnern von Pflegeeinrichtungen, erwogen werden.5

 

Maßgeschneidert: Influenza-Impfstoffe werden regelmäßig angepasst

Der Influenza-Impfstoff wird jährlich so zusammengesetzt, dass er die aktuellen zirkulierenden Varianten der Influenza-Gruppen A(H1N1), A(H3N2) und B möglichst gut abdeckt, um eine effektive Immunisierung gegen die am häufigsten auftretenden Erreger zu gewährleisten.6

Die jeweilige empfohlene Zusammensetzung des Influenza-Impfstoffs für die Nordhalbkugel und die von der EMA empfohlenen Stämme für die Herstellung des Impfstoffs sind auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts unter www.pei.de/influenza-impfstoffe verfügbar.

Diesbezüglich publizierte das Robert Koch Institut Anfang August ein Bulletin mit dem STIKO Beschluss von quadrivalenten zu trivalenten Influenza-Impfstoffen ohne B/Yamagate Linie zu wechseln, da seit März 2020 keinen Nachweis einer Erkrankung mit der Influenza-Linie B/Yamagata gegeben hat.6 Ein vollständiger Wechsel aller Impfstoffe auf eine trivalente Zusammensetzung wird zur Saison 2025/2026 erwartet. Bis dahin können weiterhin inaktivierte quadrivalente Impfstoffe verwendet werden.6

Referenzen

1. RKI: Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Influenza https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/FAQ_Uebersicht.html, Stand: 16.09.2024. (Abgerufen am 07.10.2024).

2. Statistisches Bundesamt: Grippeschutzimpfung für Senioren: Hohe Impfquoten in Dänemark und Irland. https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Gesundheit/Influenza-2.html, Stand: 18.09.2023. (Abgerufen am 07.10.2024).

3. Iuliano AD, et al. Estimates of global seasonal influenza-associated respiratory mortality: a modelling study. Lancet. 2018;391(10127):1285–1300.

4. RKI: Ergebnisbericht 2024: OKaPII - Onlinebefragung von Klinikpersonal zur Influenza-Impfung. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Forschungsprojekte/OKaPII/Ergebnisbericht_2024.html, Stand: 22.08.2024. (Abgerufen am 07.10.2024).

5. RKI. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Epidemiologisches Bulletin. 08.08.2024:32; https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/32_24.pdf?__blob=publicationFile (abgerufen am 07.10.2024).

6. RKI: Epidemiologisches Bulletin. 08.08.2024:32; https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/31_24.pdf?__blob=publicationFile (abgerufen am 07.10.2024)

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