Meningokokken B: Die Kleinen bestmöglich schützen

Die neue Meningokokken B - STIKO-Empfehlung und persönliche Tipps unserer Expert*innen

26. Februar 2024
Lesedauer: 7 Min.
Hände halten Babyfüße

Meningokokken

Meningokokken sind Bakterien aus der Gruppe der bekapselten, gramnegativen Diplokokken. Sie werden per Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen.

Circa 10% der Bevölkerung sind im Rachen asymptomatisch mit Meningokokken kolonisiert, bei Jugendlichen sind es sogar bis zu 20%. Bestimmte Personengruppen, wie zum Beispiel Säuglinge oder immundefiziente Personen, haben jedoch ein erhöhtes Risiko dafür, dass sich Meningokokken in sterile Körperhöhlen ausbreiten und es beispielsweise zu einer Meningitis oder Sepsis kommt (invasive Meningokokken-Erkrankung). Diese Erkrankungen sind glücklicherweise sehr selten, im Jahr 2023 traten in Deutschland 255 Fälle auf.
Die Erkrankung beginnt oft mit sehr unspezifischen Symptomen, kann jedoch dramatische Verläufe nehmen und in kürzester Zeit zum Tod führen. Trotz intensivmedizinischer Versorgung verstirbt jede*r 10. Erkrankte, jede*r 5. Überlebende trägt Spätfolgen wie neurologische Schäden, Amputationen oder auch psychische Folgeerkrankungen davon. Man unterteilt Meningokokken nach ihren Kapselpolysacchariden in 12 Serogruppen: 62% der in Deutschland im Jahr 2022 nachgewiesenen invasiven Meningokokken-Erkrankungen wurden durch die Serogruppe B verursacht, bei Säuglingen im ersten Lebensjahr sogar 87%.

Die neue Meningokokken B – STIKO-Empfehlung

Seit Juli 2006 gibt es in Deutschland eine STIKO-Empfehlung zur Impfung aller Kinder im Alter von 12 Monaten gegen Meningokokken C. Dadurch kam es zu einem starken Rückgang der Meningokokken C-Fallzahlen. Am 18.01.2024 veröffentlichte die STIKO außerdem eine Empfehlung zur standardmäßigen Meningokokken B-Impfung. Diese sieht vor, dass alle Säuglinge mit dem 2+1-Impfschema im Alter von 2, 4 und 12 Monaten gegen Meningokokken B geimpft werden sollen. Dieses Impfschema gilt auch für Frühgeborene. Eine Nachholimpfung soll im altersentsprechenden Impfschema bis zum 5. Geburtstag durchgeführt werden. 

Ask the expert: Frau Beinert, wie gehen Sie mit der Koadministration um?

Nach der Meningokokken B-Impfung, insbesondere nach Koadministration, können Schmerzen und/oder Fieber auftreten. Um das Risiko zu reduzieren, empfiehlt die STIKO bei Impfung bis zum Alter von 2 Jahren eine prophylaktische Paracetamol-Gabe in gewichtsadaptierter Dosierung. Diese sollte zeitgleich oder kurz nach Impfung begonnen und für mindestens 24 Stunden weitergeführt werden. Falls hohes Fieber oder starke Schmerzen auftreten, sind weitere Gaben innerhalb von 48 Stunden möglich. Bei Verschlechterung des klinischen Zustands oder länger anhaltenden Beschwerden wird jedoch das Aufsuchen einer Arztpraxis angeraten. 

 

Weiteres Procedere nach STIKO-Empfehlung

Nach Veröffentlichung einer neuen STIKO-Empfehlung ändert sich an der Verordnung und Abrechnung einer Impfung bei gesetzlich krankenversicherten Personen zunächst nichts. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nun zwei Monate Zeit,  um eine Stellungnahme zur neuen STIKO-Empfehlung zu verfassen. Diese Stellungnahme wird anschließend innerhalb von 4 Wochen durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geprüft. Nach der anschließenden Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird die Impfung zur Pflichtleistung. Eine Verordnung über den Sprechstundenbedarf oder Einzelverordnung sowie die Erstattung per Chipkarte für gesetzlich Versicherte wird jedoch erst möglich, nachdem die Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer ihre regionalen Impfvereinbarungen mit den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen und veröffentlicht haben. Es lohnt sich allerdings schon jetzt, Eltern über die Meningokokken B-Impfung aufzuklären, denn viele gesetzliche Krankenkassen erstatten die Kosten bereits und die meisten privaten Krankenversicherungen übernehmen neue Impfungen direkt ab STIKO-Empfehlung. Auf Grund des frühen Erkrankungsgipfels sollte die Impfung möglichst frühzeitig im Leben eines jeden Säuglings erfolgen.

Ask the expert: Frau Beinert, wie stellen Sie sicher, dass alle Babys/ Kleinkinder frühzeitig geimpft werden?

Umsetzung der neuen Impfempfehlung in der Praxis

Da Säuglinge in den ersten Lebensmonaten ein besonders hohes Risiko für invasive Meningokokken B-Infektionen haben, sollte die Impfserie möglichst frühzeitig durchgeführt werden. Um dies im Praxisalltag zu gewährleisten und Impftermine zu reduzieren, empfiehlt die STIKO die Möglichkeit zur Koadministration zu nutzen. Dabei werden folgende Kombinationen empfohlen: 

  • 1. und 2. Meningokokken B-Impfstoffdosis in Kombination mit

- 6-fach-Impfstoff (DTaP-IPV-Hib-HepB)

- Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV 13 oder PCV 15)

- Rotavirus-Schluckimpfung

  • 3. Meningokokken B-Impfstoffdosis in Kombination mit Meningokokken C-Konjugatimpfstoff

Die STIKO empfiehlt, die Injektionen beidseitig in den Musculus vastus lateralis - also den anterolateralen Oberschenkelmuskel - zu applizieren. Bei Injektion von 3 Impfstoffen sollte ein Mindestabstand von 2 cm zwischen den Injektionsstellen eingehalten werden. Koadministration wird bereits langjährig in den nationalen Impfprogrammen vieler europäischer Länder praktiziert und geht dabei nicht mit signifikanten Sicherheitsbedenken oder immunologischen Interferenzen einher. 

Ask the expert: Herr Köllges, STIKO-Empfehlung, aber noch kein Sprechstundenbedarf – Wie gehen Sie damit um?

Aufklärungsbedarf bei Eltern

Bezüglich invasiver Meningokokken-Erkrankungen herrschen bei Eltern oft noch große Wissenslücken. In einer weltweiten Befragung von 3600 Eltern gaben lediglich 65% an, dass die Erkrankung selten, aber schwerwiegend ist. Nur 36% der Eltern wussten, dass es verschiedene Impfungen zum Schutz vor unterschiedlichen Meningokokken-Serogruppen gibt. Es herrscht also ein großer Aufklärungsbedarf. Die Eltern benötigen kurze, klare und verständliche Informationen zur Impfung und zur Erkrankung, insbesondere zu deren Schwere und den möglichen Langzeitfolgen. Wenn Sie ihre Empfehlung zur Impfung mit einer persönlichen Erfahrung oder einem Fallbeispiel illustrieren können, werden die Informationen „lebendig“, wofür ein positiver Einfluss auf die Impfentscheidung belegt ist. Darüber hinaus können Sie bereits jetzt auf langjährige Erfahrung mit dem von der STIKO empfohlenen Impfstoff hinweisen, denn dieser ist in Europa seit 2013 zugelassen.

Ask the expert: Herr Köllges, wie klären Sie Eltern über die Meningokokken B-Impfung auf?

 

Referenzen

1. RKI: Ratgeber für Ärzte: Meningokokken-Erkrankungen https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/ Ratgeber_Meningokokken.html (abgerufen 02/2024)

2. Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Stand: 15.01.2024. Übermittelte Fallzahlen invasiver Meningokokken-Erkrankungen gemäß Referenzdefinition. Meldepflicht gemäß IfSG; Epid Bull 2024;3:3-32 | DOI 10.25646/11900

3. Ballalai I, Dawson R, Horn M et al. Expert Review of Vaccines 2023, Vol. 22, No. 1, 457–467. https://doi.org/10.1080/14760584.2023.2211163

4. Véronique Abitbol, et al (2023), Safety and immunogenicity of co-administered meningococcal serogroup B (4CMenB) vaccine: A literature review. Human Vaccines & Immunotherapeutics, 19:2, 2245705: https://doi.org/10.1080/21645515.2023.2245705 

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