Hepatitis in Deutschland: Wo stehen wir auf dem Weg zur Eliminierung bis 2030?
Hepatitis: Ein globales Gesundheitsproblem, das auch vor Deutschlands Grenzen nicht Halt macht. Und ein Problem, das sich beseitigen ließe.
Hepatitis ist eine Leberentzündung, die oft durch Viren verursacht wird. Die verschiedenen viralen Formen (A, B, C, D und E) haben unterschiedliche Übertragungswege, Verläufe und Behandlungsmöglichkeiten. Hepatitis-B-Virus (HBV), Hepatitis-C-Virus (HCV) und Hepatitis-D-Virus (HDV) können zu chronischen Verläufen führen und sind weltweit die Hauptursache für Leberzirrhose und -krebs.1
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) strebt bis 2030 die „Ausrottung“ von Hepatitis B,C & D durch Präventions- und Therapiemaßnahmen an.2 Dank medizinischer Forschung ist dies ein erreichbares Ziel. Allerdings erfordert die Realität eine stärkere Fokussierung auf Prävention, Diagnostik und Behandlung von Betroffenen („checken, schützen, behandeln“), um dieses Ziel zu erreichen.
Hepatitis B und C: Über 300 Millionen Menschen weltweit infiziert
Hepatitis B/C betrifft weltweit etwa 354 Millionen Menschen, in Deutschland allein sind etwa 700.000 Menschen mit HBV oder HCV infiziert. Allein im Jahr 2022 infizierten sich weltweit 2,2 Mio. Menschen neu mit Hepatitis-Viren.3
Bis 2030: Hepatitis erfolgreich bekämpfen
Im Jahr 2016 hat die WHO beschlossen, HBV und HCV bis 2030 weltweit einzudämmen bzw. zu eliminieren. Mindestens 80 % der Menschen mit einer chronischen Infektion sollen eine Behandlung erhalten, Neuinfektionen mit HBV und HCV sollen weltweit um 40 % reduziert sowie die Zahl der HBV- und HCV-assoziierten Todesfälle um 65 Prozent verringert werden.4 Auch in Deutschland hat der Kampf gegen Hepatitis begonnen: 2016 veröffentlichte das Bundesministerium für Gesundheit die im Bundeskabinett beschlossene Strategie BIS-2030 (Bedarfsorientiert, Integriert, Sektorenübergreifend), die sexuell übertragene Infektionen wie Hepatitis B bis 2030 erfolgreich bekämpfen will.5
Alarmstufe rot: Ziele bislang deutlich verfehlt
Trotz der internationalen und nationalen Strategien ist die Zahl der Menschen, die weltweit im Zusammenhang mit Hepatitis B oder C gestorben sind, gestiegen: von 1,1 Millionen im Jahr 2019 auf 1,3 Millionen im Jahr 2022. Das Problem: Zu wenige Menschen mit Hepatitis werden diagnostiziert und behandelt. Laut dem Globalen Hepatitis Report der WHO haben bis Ende 2022 weltweit nur 13 % der Menschen mit einer chronischen Hepatitis B eine Diagnose und circa 3 % eine antivirale Therapie erhalten. Bei Hepatitis C sind es 36 Prozent (Diagnose) bzw. 20 Prozent (Therapie).6 Immerhin konnte die Zahl der Neuinfektionen gesenkt werden: 2022 infizierten sich 2,2 Millionen Menschen, 2019 waren es noch 2,5 Millionen. Ein Indiz dafür, dass Präventionsmaßnahmen wie Impfungen Wirkung zeigen.
Jetzt handeln – Ziele noch erreichbar
Die WHO betont, dass das Ziel der Eliminierung weiterhin erreichbar ist. Dazu sei sind neben der mechanischen Prävention durch Hygiene, Kondome und sauberes Spritzenbesteck vor allem eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung sowie eine konsequente Durchimpfung der von der STIKO-Empfehlung betroffenen Personengruppen notwendig. Insbesondere bei vernachlässigten Risikogruppen wie intravenös Drogenkonsumierenden, MSM (Men who have Sex with Men) und Gefängnisinsassen müssten Diagnostik und Prävention vorangetrieben werden.3
Seit Oktober 2021 haben alle gesetzlich Versicherten Anspruch auf ein einmaliges kostenloses Screening auf HBV und HCV im Rahmen der "Gesundheitsuntersuchung" (Check-up). Dieses soll allen Bürgerinnen und Bürgern ab dem 35. Lebensjahr unabhängig von Risikofaktoren oder Laborwerten angeboten werden.7
Hausarztpraxen können einen wesentlichen Beitrag zur Eliminierung der Hepatitis leisten. Derzeit nehmen zwar rund 8 Mio. Menschen an der Gesundheitsuntersuchung teil, doch das Hepatitis-Screening wird nur bei 39 % (Stand 2023) der Check-ups durchgeführt8 – hier besteht also noch erhebliches Potenzial, um die Erkennungsrate weiter zu erhöhen und die Ausbreitung von Hepatitis gezielt einzudämmen. Durch die routinemäßige Kontrolle von Impfpässen, die Durchführung des HBV/HCV-Screenings im Rahmen des Check-up 35 sowie reisemedizinische (Impf-)Beratungen können Impflücken geschlossen und bei Diagnose eine Therapie eingeleitet werden.
Gut zu wissen: Aktuelle Impfempfehlung der STIKO9
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Grundimmunisierung gegen HBV generell für alle Säuglinge, Kinder und Jugendliche.
Erwachsene sollten sich gemäß der STIKO gegen Hepatitis B impfen lassen, wenn Risikofaktoren vorliegen. Dazu gehören:
- Personen nach akuter Exposition wie Nadelstichverletzung mit möglicher Kontamination
- Personen mit einem geschwächten Immunsystem oder mit einer Grunderkrankung, die mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf einhergeht
- Kontaktpersonen von Erkrankten im häuslichen Kontakt
- Personen mit Sexualverhalten mit hohem Infektionsrisiko
- Personal von medizinischen Einrichtungen und Ersthelfer
- Personen vor Reisen nach individueller Gefährdungsbeurteilung
Nach der vollständigen Hepatitis B-Impfserie sollte nach 4-8 Wochen eine serologische Kontrolle auf Anti-HBs durchgeführt werden.
Übrigens: In den USA besteht seit 2022 sogar eine generelle Impfempfehlung für ALLE 19-59-Jährigen.10
Referenzen
1. Was ist Hepatitis? [Internet]. 2020. Available from: https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/was-ist-hepatitis.html.
2. Hepatitis. unter: https://www.who.int/health-topics/hepatitis/elimination-of-hepatitis-by-2030#tab=tab_1 (Abgerufen am 04.11.2024).
3. WHO sounds alarm on viral hepatitis infections claiming 3500 lives each day. 2024. unter: https://www.who.int/news/item/09-04-2024-who-sounds-alarm-on-viral-hepatitis-infections-claiming-3500-lives-each-day (Abgerufen am 04.11.2024).
4. Global hepatitis report, 2017. 2017. unter: https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/255016/9789241565455-eng.pdf?sequence=1.
5. Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. 2016. unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Strategie_BIS_2030_HIV_HEP_STI.pdf (Abgerufen am 04.11.2024).
6. Global hepatitis report 2024: action for access in low- and middle-income countries. 2024. unter: https://www.who.int/publications/i/item/9789240091672.
7. Screening auf Hepatitis B und C neuer Bestandteil des Gesundheits-Check-ups. 2020. unter: https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/912/ (Abgerufen am 04.11.2024).
8. Hepatitis-Screening: noch zu wenig bekannt. 2024. unter: https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Hepatitis-Screening-noch-zu-wenig-bekannt-451375.html (Abgerufen am 04.11.2024).
9. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut. 2024. unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/04_24.pdf?__blob=publicationFile (Abgerufen am 04.11.2024).
10. Universal Hepatitis B Vaccination in Adults Aged 19–59 Years: Updated Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices — United States, 2022. unter: https://odphp.health.gov/healthypeople/tools-action/browse-evidence-based-resources/universal-hepatitis-b-vaccination-adults-aged-19-59-years-updated-recommendations-advisory-committee-immunization-practices-united-states-2022 (Abgerufen am 04.11.2024).