Schützt die Grippe-Impfung auch vor Demenz?

Eine Schutzwirkung über den eigentlichen Zweck hinaus: Das wird derzeit für viele Impfstoffe heiß diskutiert. So wurde zum Beispiel das Demenzrisiko in Abhängigkeit von verschiedenen Vakzinen – darunter auch die Influenza-Impfung – untersucht. Gibt es einen Effekt und wie verhält es sich bei anderen Impfstoffen?

3. Januar 2024
Lesedauer: 2 Min.
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Prävention hoch x: Das Potential heterologer Effekte

Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen noch weitgehend unklar sind, haben Studien einigen Vakzinen bereits mögliche heterologe Effekte attestiert. Darunter:

  • signifikant niedrigere Raten schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse sowie Hospitalisierungen aufgrund eines akuten Koronarsyndroms bei Personen mit Influenza-Impfung in einer prospektiven Studie1
  • Reduktion der Gesamtsterblichkeit bei gegen Masern geimpften im Vergleich zu ungeimpften Kindern in mehreren Studien3
  • signifikante Reduktion der Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall bei Über-60-Jährigen, die gegen Herpes Zoster geimpft waren, im Vergleich zu Ungeimpften derselben Altersgruppe in einer retrospektiven populationsbasierten Studie4

Mögliche Gründe unter der Lupe

Als mögliche Gründe für die „Off-Target-Effekte“ der Vakzinen werden derzeit diskutiert:5

  • Kreuzreaktivität zwischen gemeinsamen Epitopen von nicht verwandten Krankheitserregern 
  • Reprogrammierung der angeborenen Immunität („Training des Immunsystems“)
  • Modulierung oder Verstärkung der Immunreaktion auf Antigene anderer Krankheitserreger (z. B. Pneumokokken, HiB, etc.)

Demenzrisiko: ein „Pieks“ gegen das Vergessen?

Ein möglicher Einfluss auf das Demenzrisiko stand im Fokus gleich mehrerer Studien mit verschiedenen Impfstoffen. So untersuchte ein großangelegte Kohortenstudie aus den USA (N = 123.747), ob sich das Demenzrisiko durch die Verabreichung der Grippe-Impfung verändert. Die Studienautoren beobachteten einen Effekt, der von der Anzahl der Impfdosen abhängig war: Bei Personen, die 1, 2 oder 3−5 Dosen einer Influenza-Vakzine erhalten hatten, war das Demenzrisiko ähnlich hoch wie bei Ungeimpften. Ab 6 verabreichten Dosen konnte jedoch eine signifikante Risikoreduktion von 12 % beobachtet werden.6 Einen noch deutlicheren Effekt zeigte eine Studie bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD): Das Risiko einer Demenz war durch die Impfung um 36 % herabgesetzt. Der Effekt war signifikant.7

Eine weitere Kohortenstudie mit Personen über 65 Jahren rückte einen möglichen Einfluss der Kombinationsimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis in den Fokus. Die Forschenden beobachteten ein um 42 % verringertes Demenzrisiko bei geimpften im Vergleich zu ungeimpften Personen.8

Auch die Gürtelrose-Impfung reiht sich mit einer Risikoreduktion von 31 % in die zuvor beschriebenen Daten ein. Der Effekt war unabhängig von verschiedenen soziodemografischen Faktoren, Begleiterkrankungen sowie der Einnahme von Medikamenten.9

Die Studienautoren stimmen darin überein, dass die genannten Impfungen bei älteren Erwachsenen das Risiko für eine Demenz senken könnten – sollten sich die vorliegenden Daten in weiteren (prospektiven) Studien bestätigen. Entscheidende Vorteile der Präventionsmaßnahme sind das geringe Gesamtrisiko sowie die einfache Verfügbarkeit.7−9

Referenzen

1. Phrommintikul A et al. Eur Heart J 2011; 32: 1730–1735.

2. Lavallee et al. Stroke 2002; 33: 513–518.

3. Fischer Walker CL et al. Epidemiol Infect 2013; 141: 115–131.

4. Klaric JS et al. Mil Med. 2019; 184: 126–132.

5. Saadatian-Elahi M et al. Vaccine 2016; 34: 3923–3930.

6. Wiemken TL et al. Vaccine 2021; 39(39): 5524−5531.

7. Liu JC et al. Medicine (Baltimore) 2016; 95(9): e2868. 

8. Scherrer JF et al. The Journals of Gerontology: Series A 2021; 76(8): 1436–1443.

9. Scherrer JF et al. PLoS ONE 2021; 16(11): e0257405.

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